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Daden 2002
An Pfingsten bei Daaden die Belagerung zu Neuss  

 

17.5. - 21.5.2002

Seit Monaten fieberten wir schon diesem verheißungsvollen Datum entgegen:  Pfingsten 2002 sollte die Belagerung zu Neuss von 1474 wieder auferstehen. Urheber und Organisator war die Company of Saynte George, Dietrich Pott und seine Mannen, die zu diesem Ereignis 18 Gruppen der Spätmittelalter-Szene einlud und alle Teilnehmer bis zum letzten Moment in Spannung zu halten wußte: zunächst wurde Wildflecken als Ort der Veranstaltung angegeben, kurz darauf wurde diese Nachricht für ungültig erklärt. Beängstigend lange Zeit gab Dietrich kein Lebenszeichen von sich. Das Datum rückte schon gefährlich nahe, wir alle hielten die Luft an und wagten nicht auszumalen: was, wenn nicht...? Und dann erlöste uns Dietrich: Truppenübungsplatz bei Daaden! Wir konnten wieder ruhig schlafen.

Mit Feuereifer beluden wir 2 Autos und einen Hänger, sausten am  Freitagmorgen flugs 500 km gen Süden, um bei schönstem Wetter gemäß Lutzens strategischen Lageplans Zelte und neues Sonnendach gemeinsam mit dem Hansevolk zu Lübeck zu errichten. Wir befanden uns ausnahmslos am Rande des Hitzekollapses - den einen oder anderen traf es dann auch. Ja, es war eine Tortur, aber im Rückblick auf alles was danach geschah, gleiten sämtliche Erinnerungen an jegliche Anstrengung ins fernste Eckchen unseres Gedächtnisses.

Als bekennende nicht-militärische Gruppe des frühen Spätmittelalters aus dem hohen Norden trafen wir auf eine Horde spät-spätmittelalterlicher bis an die Zähne bewaffneter Söldnertruppen aus schweizer, tschechischen und süddeutschen Gefilden - etwas skeptisch hielten wir den Atem an. Völlig grundlos, denn von Anfang bis Ende herrschte eine Bombenstimmung, Eintracht und eine noch nirgends erlebte allgemeine Bereitschaft anzupacken oder spontan organisatorische Posten zu belegen.

Zu den absoluten Sternstunden der folgenden Tage gehörten die Tänze mit den Leuten der Compagnie des quatre Lunes, denen beim Tanzen ein unnachahmlicher Esprit in den Adern pulsierte. Wir versuchten uns im Branle des Chevaux dreisprachig und in fünf Varianten gleichzeitig. Natürlich unter Männermangel, wie sonst.

Und war es nicht beeindruckend, als am Pfingstsonntag der junge Geistliche auf Latein zur Morgenandacht anhob und gestandene Männer und Frauen auf die Knie sanken und sich bekreuzigten um den Segen des Herren für die bevorstehende Schlacht zu empfangen?! Ich wette, keiner von uns sieht eine Kirche öfter als einmal im Jahr von innen und keiner von uns verstand von der Andacht auch nur ein Wort. Bleibt außerdem zu erwähnen, daß mich die Keramik, die Helga Körbeweise anschleppte, schier umgehauen hat. Und ebenso umgehauen hat uns alle die gottlose Geschwindigkeit, mit der auf unserem Markt die geböttcherten Eimer und die Nestelspitzen weggingen. Nicht zu fassen! (Ich hoffe,  Hilmer näht sich gerade die Finger wund.) Aber in dem Moment, als die Schweizer mit Holzschwertern kunstvoll ein Schlachtszenario tanzten und von „ahs“ und „ohs“ und viel Applaus begleitet wurden während andere noch rege  Preise mit den Krämern aushandelten, da hätte meinetwegen die Zeit für alle Ewigkeit stehen bleiben können.

Genug der Weihe und Huldigung, schließlich gab es Zucht und Ordnung, die zu bewahren den Wachen auferlegt war. Zur unübertrefflichen Höchstform liefen die  Torwächter auf - erbarmungslos inspizierten sie Kleidung und Gepäck und forderten Rechenschaft für jeden Schritt außerhalb des Lagers. Dabei war den durchtriebenen glanzpolierten Herren das Ziel dieser Reise sonnenklar. Aber zu wissen, wer wann und für wie lange diesen Ort namens „D...“ (Nein, ich kann dieses Wort nicht mehr hören!) aufsucht, muß ungeheuren Spaß bereiten. Aber erstaunlich benutzbar blieben sie bis zum Schluß, die „D...“s, vielleicht weil der Weg dorthin so lang und beschwerlich war, daß einige lieber auf halben Wege in den Knick abdrifteten. Und - Holla, die Waldfee! - welch ein schreckliches Erdbeben, wenn man sich in einem solchen Häuschen befand, während auf dem angrenzenden Feld gerade Kanonenschüsse auf den imaginären Feind gefeuert wurden!

Ja, diesbezüglich tat sich gerade für unsere Herren der Schöpfung ein neues Himmelreich auf: Der gute Andreas Barth trommelte bei jeder Gelegenheit das gesamte Lager entweder wach oder zum Appell zusammen und Steffen rief mit einem Organ größer als er selbst alles, was drei Beine hatte, zur Musterung. Beinahe eifrig fanden sie sich zur Nachtwache ein und provisorisch unter Waffen gestellt marschierten sie, zumindest unser Schmied, auf den umliegenden Hügeln stundenlang aufwendige Manöver. Nur unser Kaufmann

drückte sich geschickt vor den Manövern, indem er Dietrich bei der Musterung eine Söldnereinheit aus Hamburg versprach, welche  natürlich nie eintraf! Meine Herren!...mit welch bubenhaften Strahlen in einem noch ganz entrückten Gesicht sie nach der Schlacht wieder heimkehrten... Hatte ich schon erwähnt, wir seien eine nicht-militärische Gruppe? Männer, haltet euch im Zaum!

Und doch, mit einem eben solchen Strahlen und in unschuldiger Seligkeit denken wir an dieses grandiose Wochenende zurück. Allesamt hatten wir bedenkliche Schwierigkeiten den Alltag im 21. Jahrhundert wieder aufzunehmen. In Daaden  bekamen abermals bekannte Namen Gesichter, neue Bekanntschaften wurden geknüpft und etwa 1000 Aha-Effekte erlebt. Eine ordentliche Portion Motivation haben wir mit nach Hause genommen und die Erinnerung an Lutz, d. h  daran, daß er uns in all dem Trubel letztlich doch  noch einen Sack Holzheringe schuldig blieb.

Wessen Worte waren das doch gleich? „Daaden sehen und sterben“ - bitte nächstes Jahr wieder.

  

 
 

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